Logbuch

Tag 10 auf See

Kantengespräche

am Anfang der Wache immer das Gleiche: Admiral S stellt wieder die selbe Frage : „Ist es kalt ? Ziehst Du lange Unterhose und Midlayer an ?“
Obwohl keiner der noch Schlaftrunkenen irgendwie aussagekräftig wäre, kommen meist 2, manchmal auch 3 Antworten widersprüchlichster Natur.
Aber das ist egal. Zwar nicht wirklich schlauer, kann der Admiral sich damit für oder gegen lange Unterhose entscheiden, in der beruhigenden Gewissheit mit diesem Schicksal nicht alleine zu sein.

Einer nach dem Anderen purzelt die neue Wache dann ins Cockpit.
Ein „Moin“, oder von den ganz Sabbeligen sogar ein „Moin, Moin“ soll Anwesenheit signalisieren.
Die Raucher torkeln für die erste Fluppe an den Heckzaun.
Mit Blick nach vorne werden Kurs, Windwinkel, Speed, Strömung und Segelkonfiguration verinnerlicht.
Die nicht so Priviligierten müssen sich diese Parameter vom Wachführer oder Steuermann der alten Wache aufgeben lassen.

Und dann wartet man bis vemeintlich nur noch das neue Team an Deck ist.
Jetzt kann es losgehen. Erstmal zum Anheizen der Stimmung über die Under-performance der anderen Wache frotzeln.
Und, ganz wichtig: sofort möglichst geräuscherzeugend irgendetwas ändern. Sollen Die unter Deck doch bitteschön mitkriegen das hier jetzt 2 Gänge zurück geschaltet und zum Überholvorgang angesetzt wird!

Aber Vorsicht! Höchste Gefahr von Industrie Spionage ist gegeben. In den dunklen Stern- und Mondlosen Nächten ist der unbemerkt an Deck Verbliebende des anderen Wachteams schnell übersehen.
Ausgeklügelte Segeleinstellungen und Bewegunsgprozesse, aber auch Techniken des Schnell-Alle-mit-Kaffee-Versorgens, bis hin zu mind-set Vorteilen können hier schnell verloren gehen.

Nach ca. 30 Minuten fängt dann die so ersehnte Monotonie an. Einer steuert, vier sitzen rum.
Bißchen Wellen anchauen und dabei anfangen, dem der neben einem sitzt irgendetwas zu erzählen. Segler sind Multi-tasker.
Die Beobachtung von Wasseroberfläche, Himmel und Segeln wird mit dem System des Ein- und Ausatmens verknüpft und läuft damit quasi resourcen-neutral im Hintergrund.

Die Stories der erste Tage sind noch sehr von der Allen gemeinsamen Sehnsucht Segeln geprägt.
Best-off´s aus den ruhmreichen Laser, 470er und Etchel Dinghy Zeiten werden, als Einleitung zu den Segelaktivitäten der letzten Jahre, in die Runde geschmissen.
Und natürlich wird das momentane Extrem, „Transatlantik auf der abgesägten Schrotflinte“ immer wieder als die unvermeidbare Erweiterung der Segelvita gekürt und genossen.

Vielfache Beschlüsse zu Weltverbesserungs Maßnahmen und Ausarbeitung von totsicheren Geschäftsmodellen indizieren ab Tag 3, das Alle in Level 2 angekommen sind.

Als sich auch dieser Themen Bereich erschöpft und ausreichend bedient anfühlt, sind wir aber gerade erst am AAR Point Nemo. Position 50.09.770 N / 027.40.782 W 950 Meilen östlich Neufundland. Die gleiche Distanz bis zur Südspitze Englands, und 700 Meilen nördlich der Azoren.
Also mitten auf dem Meer.
(Butter ist schon seit 2 Tagen aus, Cola, Kaffee und Bier stark rationiert und das in Bermuda gekaufte Abwaschmittel seit Tagen nicht auffindbar – Aber hey, Einige von uns rasieren sich noch und wir liegen noch lange nicht vor Madagaskar !)

Bei den Kantengesprächen stellt sich eine hochschaukelnde Eigendynamik ein: Da ist man ganz plötzlich tief in den persönlichen Details von Sein und Lebensmodell von 9 anderen Jungs.
Es wird (fast) schonungslos blank gezogen. Die Immunität sämtlicher Kollegen, Partner, Kinder, Nachbarn, Hausverkäufer, Haustiere scheint aufgehoben zu sein.

Ihr da an Land : Ihr könnt nichts mehr verbergen – Also bleibt wie Ihr seid – so lieben wir Euch und wollen Euch wiedersehen!

So weit an Tag 10.
Man denkt so häufig Mehr geht nicht – aber auch Das, können wir nicht garantieren.

Filmchen und Bildchen zum Mitleiden für Euch

 

Beste Grüße Eure Hamburg Linesmen Crew